10. Juli 2019
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Kommentar des dbb Landesvorsitzenden zum Kommissionsbericht zur Untersuchung der Lebensverhältnisse in Deutschland

Egal ob „Osten“, „Nordosten“ oder nun „Region“: Mecklenburg-Vorpommern bleibt arm und steht vor enormen Herausforderungen

Nicht erst seit der deutschen Wiedervereinigung ist die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse ein erklärtes politisches Handlungsziel, aber auch nach Artikel 72 grundgesetzlicher Auftrag der Politik.

Man muss eingestehen, dass die Politik in Zeiten der Marktwirtschaft eher begrenzte Möglichkeiten hat, dieses Ziel durchzusetzen bzw. hier einen Ausgleich zu schaffen. Unser Land ist an Lebens- und Rahmenbedingungen vielfältig, was sowohl traditionell als auch grundsätzlich akzeptiert wird. Aber angesichts der bestehenden regionalen Unterschiede bei Einkommen und Beschäftigung sowie bei der Sicherung von Mobilität, Grundversorgung und Daseinsvorsorge sollte die Politik ihre vorhandenen Möglichkeiten konsequent nutzen. Dazu gehören eindeutig spezielle Fördermöglichkeiten oder auch die Ansiedlung von Bundesbehörden. Zu begrüßen ist, dass die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ nun in einer Art Paradigmenwechsel einige Aspekte aufgegriffen hat, die den strukturschwachen Regionen eine für die Menschen akzeptable Zukunft ermöglichen sollen, beispielsweise beim Altschuldenabbau der Kommunen. Bereits im Jahr 2011 hatte der dbb mit Blick auf das Auslaufen des Solidarpakts II ein Gutachten zum Altschuldenabbau mit dem Titel „Deutschland im Schuldensog“ erstellen lassen. Wichtigster Punkt war bereits damals die Entlastung aller öffentlichen Haushalte in einem „Altschuldenfonds“ parallel zu der seinerzeit schick anmutenden Schuldenbremse. Zu groß war die Gefahr, dass die Schuldenbremse nicht als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gesehen wird, sondern zum Sparbeitrag des Personals im öffentlichen Dienst mutiert. Die Personalkonzepte Mecklenburg-Vorpommerns ließen die Gefahr leider Realität werden. Hinzu kommt trotz aller Erfolge die weiterhin bestehende Strukturschwäche unseres schönen Bundeslandes. Diese wird durch die Demografie, aber auch durch viele ökonomische Effekte verstärkt. Jüngere, oft gut ausgebildete Menschen im Land zu halten, ist das Gebot der Stunde. Hier kommt gerade dem öffentlichen Dienst eine gewisse Vorreiterrolle zu, denn ohne einen gut ausgestatteten und motivierten öffentlichen Dienst wird es nicht einmal eine Annäherung an gleichwertige Lebensverhältnisse geben. Nach den zurückliegenden Reformen, die bei den Bürgerinnen und Bürgern einzig und allein als Rückzug des Staates aus der Fläche wahrgenommen wurden, ist das Gefühl, abgehängt zu sein, immer präsenter geworden. Mit den ersten Schritten der Landesregierung, einerseits das Personalkonzept auszusetzen und andererseits ländliche Regionen zu stärken, scheint ein begrüßenswertes Umdenken stattgefunden zu haben, das der Bund mit der gleich einem Paukenschlag angebotenen Altschuldenlösung nun hilfreich unterstützt.                                 

Erinnert werden muss an dieser Stelle auch an den Beschluss der Bundesregierung aus dem Jahre 1992 zur Ansiedlung von Bundesbehörden in den neuen Bundesländern. Hier gibt es knapp 30 Jahre später erheblichen Nachholbedarf. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass in Zeiten verstärkter klimapolitischer Diskussionen das Bundesumweltamt nach Auskunft der Bundesregierung in Mecklenburg-Vorpommern mit einem einzigen Mitarbeiter vertreten ist. Hier bedarf es weit mehr als die bundespolitischen Symbolakte der Vergangenheit. Auch mit Standortentscheidungen kann man einen ländlichen Raum stärken.

Im Fazit bleibt festzustellen, dass Mecklenburg-Vorpommern aus eigener Kraft selbstverständlich viel erreicht hat. Es bleibt allerdings – egal ob als „Osten“, „Nordosten“ oder nunmehr als „Region“ definiert – ein insgesamt finanzschwaches Land, welches auch durch die Schwäche der Wirtschaftsstrukturen und das vergleichbar geringe Gewicht des Mittelstands vor enormen Herausforderungen steht, denen sich alle – dabei spielt es keinerlei Rolle ob jung oder alt, ob Frau oder  Mann, ob Gewählte oder Wähler – zu stellen haben.

Fest steht auch: Egal, ob nach Himmelsrichtung oder nach Region: das Vertrauen in die Politik ist in allen Teilen Deutschlands gleich schlecht. Sie hat es in der Hand, dieses Vertrauen Schritt für Schritt wieder aufzubauen – selbstverständlich mit einem öffentlichen Dienst, der personell, technisch und strukturell in der Lage ist, motiviert und mit Blick in die Zukunft die Vorgaben der Politik umzusetzen.