Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ohne Richterspruch?
dbb m-v weist Vorschlag aus dem Innenministerium zurück
Mit einer kurzfristig geplanten Novelle des Landesdisziplinargesetzes beabsichtigt Mecklenburg-Vorpommern als zweites Land nach Baden-Württemberg, die Entfernung von Beamten aus dem Dienst ohne ein Gerichtsverfahren zu ermöglichen: künftig soll dafür ein Verwaltungsakt genügen.
In einem mit Innenstaatssekretär Thomas Lenz geführten Beteiligungsgespräch haben sich die Spitzenorganisationen dazu am 15. Januar ausgetauscht. Zunächst kritisierten die Teilnehmer die Nichteinhaltung der Frist zur Beteiligung nach Landesbeamtengesetz. „Dieses Hauruckverfahren gerade in der aktuellen Pandemiephase ist nicht akzeptabel für einen so enormen Eingriff in das Beamtenrecht“, betonte dbb Landesvorsitzender Dietmar Knecht.
Begründet wird die Novelle mit der dadurch zu schaffenden Möglichkeit einer schnelleren Entfernung von Bediensteten mit extremistischen Tendenzen wegen zu langer dafür bisher notwendiger Gerichtsverfahren. Eine mögliche gerichtliche Klärung würde künftig nur noch auf Initiative der betroffenen Person erfolgen. Die Entfernung aus dem Dienst gegebenenfalls unter gleichzeitiger Aberkennung des Ruhegehalts ist der denkbar schwerste disziplinarische Eingriff und betrifft den Bestand des auf Lebenszeit angelegten Dienst- und Treueverhältnis im Beamtenstatus. „In den skizzierten Extremismusfällen ist das Ansinnen der Novelle durchaus nachvollziehbar, öffnet aber Tür und Tor, dass 99 Prozent derer, die ihren Dienst korrekt versehen, der Willkür ausgesetzt werden, auch in anderen möglicherweise politischen oder weltanschaulichen Fällen aus dem Dienst entfernt werden zu können“, so Knecht. Außerdem könne es nicht sein, dass die Kolleginnen und Kollegen die „miserable“ Personalpolitik in der Justiz, die auch zu den bemängelten langen Gerichtsverfahren geführt habe, einseitig zu ihren Lasten ausbaden sollen.
Der stellvertretende dbb Landesvorsitzende und Vorsitzende der komba gewerkschaft m-v Thomas Krupp ergänzte: „Die bestehenden gesetzlichen Regelungen im § 39 des Beamtenstatusgesetzes erlauben bereits jetzt, einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Ausübung seiner Dienstgeschäfte zu verbieten. Allerdings ist dann innerhalb von drei Monaten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren einzuleiten. Ich wüsste nicht, warum das nicht auch zukünftig so gehandhabt werden könnte.“
Auch wenn das Bundesverfassungsgericht wie in Baden-Württemberg festgestellt habe, dass die Entfernung aus dem Dienst rechtlich keinen Richterspruch erfordert, bedeute das nicht, dass eine solch drastische Maßnahme auch angemessen und sinnvoll sei. Sinnvoller wäre es, so Knecht, die Arbeit und den Einsatz derjenigen wertzuschätzen, die ihren Dienst mit voller Hingabe ausüben, anstatt das Dienstrecht wegen einiger weniger pauschal derartig drastisch zu verschärfen. Ebenso werde das vom Innenministerium vorgetragene Argument von einem angeblichen Vertrauensverlust beispielsweise in die Arbeit der Polizei wegen Extremismus durch die dbb Forsa Umfrage über den öffentlichen Dienst entkräftet. Danach sei das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei seit 2007 um 4 auf jetzt 82 Prozent gestiegen.
Knecht bekräftigte abschließend: „Jedweder Extremismus von Beamten gehört vor Gericht, ein rechtskräftiges Urteil zur Entfernung aus dem Dienst bleibt abzuwarten. Alles andere fördert nicht das Vertrauen und dient erst recht nicht der Nachwuchsgewinnung, weil es dem Lebenszeitprinzip des Beamtenstatus und dem Schutz vor Willkür widerspricht.“