AG Justiz im dbb teilt Sorgen von Ministerpräsidentin Schwesig
Treffen mit rechts- und innenpolitischen Sprechern der Fraktionen von SPD und CDU
Unter dem Motto „Ist M-V’s Justiz noch sicher?“ trafen sich am gestrigen Abend Vertreter aller dbb Justizgewerkschaften mit den Abgeordneten Martina Tegtmeier, Dirk Friedriszik, Philipp da Cunha (alle SPD) und Sebastian Ehlers (CDU) sowie Vertretern des Finanzministeriums im Schweriner Schloss zu einem Gespräch über die Situation in der Justiz im Lande.
Seitens des dbb wurden die Sorgen, die Ministerpräsidentin Manuela Schwesig über die Justiz äußerte, unterstützt. „Allerdings scheint es in der politischen Debatte vorwiegend um Richter und Staatsanwälte, die scheinbar eine stärkere Lobby haben, zu gehen“, so dbb Landesvorsitzender Dietmar Knecht im Verlaufe des Gesprächs, „unsere Sorge geht über diesen sicherlich wichtigen Personenkreis hinaus und berücksichtigt alle weiteren Menschen, von Gerichtsvollziehern bis hin zu Strafvollzugsbediensteten, die dafür Sorge tragen, dass es im Justizbereich rund läuft. Auch Richter und Staatsanwälte brauchen ein tragfähiges Fundament. Dass kein Vertreter des Justizministeriums der Einladung zum heutigen Gespräch gefolgt ist, macht sprachlos und beschreibt anschaulich das angespannte Verhältnis.“
Anhand von Fakten aus ihrer täglichen Arbeit konnten die Vertreter der Gerichtsvollzieher, Amtsanwälte, Rechtspfleger, des Strafvollzugs sowie des allgemeinen Justizbereichs den Abgeordneten insbesondere mangelnde Beförderungsaussichten, demotivierende Dienstpostenbewertungen, ungenügende Fortbildungen, eingesparte Stellenzulagen, unzureichende Ausstattung mit Sicherheitskleidung, kannibalischen Stellenabbau und unprofessionelle Nachwuchsgewinnung nachweisen. Außerdem wurde deutlich gemacht, dass die Leitungsebene des Justizministeriums ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitern nicht nachkommt. „Es brodelt in der Justiz“, war ein oft gehörter Satz während des Gesprächs, zudem sei „die Justiz in M-V auf Führungskräfte ausgerichtet“, so Hans-Jürgen Papenfuß von der Gewerkschaft Strafvollzug (BSBD).
Schnell war man sich dagegen darüber einig, dass der Fachbereich Rechtspflege an der FHöVPR in Güstrow gestärkt werden muss. „Dieser sieht einer ungewissen Zukunft entgegen, da dort seit drei Jahren keine Anwärter mehr eingestellt wurden", so Carsten Neißner vom Bund Deutscher Rechtspfleger (BDR), „in Zeiten beginnender negativer demografischer Auswirkungen eine extrem unbefriedigende Situation, nicht nur für den Lehrkörper, sondern auch für junge Leute, die sich für den Beruf eines Rechtspflegers interessieren“. Vorschläge und Strategien des Fachbereichs Rechtspflege werden vom Justizministerium ignoriert.
Für Bernd Kammermeier von der Deutschen Justiz-Gewerkschaft (DJG) ist es ein Unding, „dass die fragwürdigen Dienstpostenbewertungen in der Regel dem Leitungsbereich zugute kommen und den Übrigen jegliche Aussicht auf eine Beförderung in ihrem gesamten Berufsleben genommen wird. Auch wäre eine Verbeamtung des ehemaligen mittleren Justizdienstes eine motivierende Maßnahme“.
Die Vertreter des Finanzministeriums unterstrichen, dass es in den Haushaltsverhandlungen zum bestehenden Doppelhaushalt beim Thema Sicherheit für die Beschäftigten keine Abstriche gegeben habe, die Gelder für Sicherheitswesten für Gerichtsvollzieher und Justizwachtmeister sowie Abwehrsprays seien ungekürzt in den Haushalt eingestellt worden. Die Abgeordneten zeigten sich darüber verwundert, dass es nun offenbar Schwierigkeiten bei der Umsetzung innerhalb des Justizministeriums gibt. Karina Arndt vom Deutschen Gerichtsvollzieherbund (DGVB) ergänzt: „Es ist ein Unding, dass es nun Prioritäten bei der Ausgaben von Sicherheitswesten geben soll. Beispielsweise soll der Amtsgerichtsbezirk Güstrow lediglich drei solcher Westen für die Wachtmeister und Gerichtsvollzieher bekommen. Wo ist das eingestellte Geld für die Ausstattung aller Betroffenen geblieben?“
Auch der Bereich des Strafvollzugs wird durch zweifelhafte Bemessungen und fehlende Beförderungsmöglichkeiten immer unattraktiver. Dies bestätigte auch der eigens für das Gespräch angereiste BSBD Bundesvorsitzende René Müller. „Leider ist es im Bundesvergleich inzwischen so, dass in Mecklenburg-Vorpommern oft Kolleginnen und Kollegen mit der Besoldungsgruppe in Pension gehen, in der in Nachbarländern neu eingestellt wird.“ Er plädierte außerdem dafür, dass Polizei und Strafvollzug gleich behandelt werden. In diesem Zusammenhang wurde auch die im Pakt für innere Sicherheit enthaltene Erhöhung der Zulage für den Polizeivollzug thematisiert. „Wo ist hier der Differenzierungsgrund zum Strafvollzug, der ja ebenso Teil der inneren Sicherheit ist, warum gibt es die Erhöhung nicht auch für uns“, fragt Hans-Jürgen Papenfuß von der Gewerkschaft Strafvollzug (BSBD).
„Wir konnten im Verlauf des Gesprächs alle uns bewegenden Belange und Probleme gegenüber den Rechtspolitikern deutlich machen und nehmen das Angebot, weiter im Gespräch zu bleiben, gern an, damit die Justiz in M-V sicher bleibt. Schließlich müssen wir gemeinsam alles daran setzen, sowohl für das Bestandspersonal als auch für Schul-bzw. Studienabgänger attraktiv zu bleiben“, so Knecht abschließend.
Hintergrund: In der AG Justiz im dbb m-v sind die Justizgewerkschaften Bund Deutscher Rechtspfleger (BDR), Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands (BSBD), Deutsche Justizgewerkschaft (DJG), Deutscher Gerichtsvollzieherbund (DGVB) und Deutscher Amtsanwaltsverein (DAAV) zusammengeschlossen. Sie vertreten die Interessen von rund 2 800 Beschäftigten in der Justiz Mecklenburg-Vorpommerns, darunter circa 800 Strafvollzugsbedienstete, 400 Rechtspfleger, 80 Gerichtsvollzieher, 80 Bewährungshelfer und 18 Amtsanwälte.